Viele haben meinen "Brief an einen Oberarzt..." gelesen, was mich sehr freut.
Zur Ehrenrettung der Krankenhäuser möchte ich darauf hinweisen, dass nicht überall
"Backofen-Medizin" betrieben wird. Es gibt u.a. mehrere große Perinatalzentren, die sehr frauenzentriert arbeiten und z.B. deutlich niedrigere Kaiserschnitt-Raten aufweisen als der Durchschnitt. Es gibt ebenso kleine Häuser, die eine sehr persönliche Atmosphäre haben und tolle Geburtshilfe leisten.
Allen geburtshilflichen Abteilungen ist jedoch gemeinsam, dass sie unter einem unglaublichen finanziellen Druck stehen. Das macht es durchaus schwieriger, auch unpopuläre Entscheidungen zugunsten der Frauen - und häufig zuungunsten der Vergütung - zu treffen.
Da gibt es den Klinikdirektor der Frauenklinik an der Uni Erlangen, der schon seit längerem darauf hinweist, dass das Abrechnungssystem geradezu Frühgeburtlichkeit befördert, statt den Frauen die Möglichkeit zu geben, durch längere Aufenthalte die Geburt hinauszuzögern.
Da gibt es den CA der Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Coesfeld/Münster, der die Kaiserschnittrate um fast die Hälfte auf nun ca. 19% gesenkt hat, und das in einem sog. Level-I-Haus, dh. in einem Haus mit jeder Menge Risikoschwangeren und Frühgeburten.
Gerade in Ostdeutschland gibt es etliche Krankenhäuser mit niedriger Interventionsrate - leider wurde letztes Jahr eines davon geschlossen (Geburtshilfe Wolgast)
Vorreiter in der familienorientierten Geburtshilfe war sicherlich das Vincent-Pallotti-Krankenhaus Bensberg, das seit den 80er Jahren diesen Ansatz verfolgt und eine der ersten Geburtsstationen (wenn nicht sogar DIE erste) war, die Wassergeburten anboten und außerdem eine kliniktaugliche Gebärwanne entwickelte.
Da ist der derzeitige Vorsitzende der DGGG, Herr Prof. Louwen, der sich seit langem mit Geburten in Beckenendlage beschäftigt und hier auch ein Eisbrecher ist unter seinen Kollegen.
Ich habe hier nur einige wenige genannt, und hinter jedem Chefarzt steht immer ein ganzes Team aus Hebammen und Ärzten, die sich unter vollem Einsatz um die Frauen und Babys kümmern.
Und natürlich gibt es auch eine ganze Menge Frauen, die ihre Schwangerschaft bewusst erleben und auf eine natürliche, selbstbestimmte Geburt hoffen. Gerade um dieser Frauen willen ist der Post entstanden. Denn ich habe leider viel zu viele Geburtsberichte nach dem gleichen Schema gehört: Frau kann sich nicht bewegen, liegt am Dauer-CTG, Kind stellt sich nicht ein, PDA.Geburtsstillstand. Wehentropf. Herztöne werden schlechter. Herztöne werden noch schlechter. Kaiserschnitt.
Weil von der Politik der Krankenhausschließungen eine gute Geburtshilfe erschwert wird, deswegen schreibe ich dies alles. Sicher gibt es noch andere Faktoren, auch in den Chefärzten begründete Faktoren. Dennoch ist es so, dass auch die hervorragend arbeitenden Geburtsabteilungen unter dem Kostendruck leiden. Und dies geht letztendlich zu Lasten der Frauen und Babys.
Ich schreibe hier zu gesundheitspolitischen Themen, derzeit in erster Linie rund um die Geburtshilfe. Das Themenspektrum kann sich aber noch erweitern. Mal sehen.
Donnerstag, 24. März 2016
Montag, 21. März 2016
Ein Brief an einen Oberarzt. Oder die Gesundheitsminister. Oder an Frauen und Männer.
In den letzten 20 Jahren sind eine ganze Menge neue Erkenntnisse in der Geburtshilfe hinzugekommen - und es wurden einige alte, verschüttete Erkenntnisse wiederbelebt.
Was mich als junge Ärztin sehr
wundert, ist jedoch, dass einfachste (!) Erkenntnisse nicht umgesetzt
werden. In Deutschland gebären nach wie vor ca. 80% der Frauen in
liegender/halb sitzender Position (aktueller AQUA-Bericht), obwohl längst bekannt ist, dass
dies eine die Geburt behindernde Position ist.
Ein anderes Beispiel: Studie um Studie
zeigt, dass das Dauer-CTG keinen positiven Effekt auf die Vitalität (APGAR-Score), die Anzahl der Säuglinge mit Cerebralparesen (köperliche Behinderung mit Muskelkrämpfen) oder auf
die Säuglingssterblichkeit während und kurz nach der Geburt hat - der einzige Effekt ist eine
Steigerung der Kaiserschnittrate.
Die aktuelle
Leitlinie (für Ärzte) zum Umgang mit dem CTG sieht dann folgendermaßen aus: Da wird zugegeben, dass alle bisherigen Studien
o.g. belegen. Dann wird eine neue
Studie mit einem neuen CTG-Gerät (von einem ganz
bestimmten Hersteller übrigens) zitiert, die dann als Begründung
für die gesamte Leitlinie herhalten muss. Aber so kann man doch nicht ernsthaft
arbeiten, oder?
Das hat mit einem wissenschaftlichen
Herangehen für meine Begriffe sehr wenig zu tun.
Natürlich müssen die Herztöne eines
Kindes in regelmäßigen Abständen überprüft werden, verstehen Sie
mich da nicht falsch.
Es gibt Arbeiten, die zeigen, dass sich eine 1:1-Betreuung durch eine Hebamme unter der Geburt insgesamt sehr positiv auswirkt: niedriger Schmerzmittelverbrauch, fitte Kinder, weniger Kaiserschnitte, weniger Aufenthalte auf der NeugeborenenIntensivstation. Diese Studien werden jedoch nicht beachtet und auch nicht umgesetzt. Es wäre so einfach, diese ganzen CTG-Leitlinien einfach zu ersetzen und damit auch ein Statement für die Geburtshilfe und für die Frauen abzugeben: Wenn die DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) beschließen würde, dass die beste Gewährleistung für eine gesunde Geburt eine 1:1-Betreuung darstellt, dass dies die 1A-Lösung ist und ein CTG im besten Falle eine 1B-Lösung ist, wäre u.a. die Politik gezwungen, hinzusehen. Wenn Richter plötzlich nicht mehr nach dem CTG, sondern nach der Anwesenheit einer Hebamme fragen, dann wäre dies ein großer Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe, der meiner Meinung nach notwendig ist.
Es gibt Arbeiten, die zeigen, dass sich eine 1:1-Betreuung durch eine Hebamme unter der Geburt insgesamt sehr positiv auswirkt: niedriger Schmerzmittelverbrauch, fitte Kinder, weniger Kaiserschnitte, weniger Aufenthalte auf der NeugeborenenIntensivstation. Diese Studien werden jedoch nicht beachtet und auch nicht umgesetzt. Es wäre so einfach, diese ganzen CTG-Leitlinien einfach zu ersetzen und damit auch ein Statement für die Geburtshilfe und für die Frauen abzugeben: Wenn die DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) beschließen würde, dass die beste Gewährleistung für eine gesunde Geburt eine 1:1-Betreuung darstellt, dass dies die 1A-Lösung ist und ein CTG im besten Falle eine 1B-Lösung ist, wäre u.a. die Politik gezwungen, hinzusehen. Wenn Richter plötzlich nicht mehr nach dem CTG, sondern nach der Anwesenheit einer Hebamme fragen, dann wäre dies ein großer Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe, der meiner Meinung nach notwendig ist.
Die derzeitige Situation der
Krankenhäuser, die politisch gewollt ist, stellt sich wie folgt dar:
Die Politik wünscht ein
Krankenhaussterben, es soll immer weniger, größere Kliniken geben,
denn Deutschland ist (angeblich) überversorgt. Allein in diesem Jahr, 2019, sind bis heute, 15.06.2019, 14 (!) Geburtsstationen geschlossen worden oder von Schließung bedroht.
Dabei vergleicht man sich (gerade was
die Geburtshilfe anbelangt) gerne mit den skandinavischen Ländern,
oder z.B. den Niederlanden. Gleichzeitig wird vergessen, dass das Gesundheitssystem in diesen Ländern ein komplett
anderes ist: Die
Gesundheitssysteme sind allesamt staatliche Gesundheitssysteme. D.h.,
auch die großen Kliniken müssen keinen Gewinn erwirtschaften.
Dazu kommt, dass es viel mehr sog.
„Polikliniken“ gibt und dass die Bevölkerungsdichte und
-verteilung eine völlig andere ist (v.a. in Schweden, Norwegen und
Finnland).
Es ist gewollt, dass
Krankenhäuser sich spezialisieren, „unrentable“ Abteilungen
schließen und es in der Fläche weniger Krankenhäuser gibt. Wie
kann man so etwas politisch geschickt erreichen? Sehr einfach: man
hungert die Krankenhäuser aus. Seit Jahren beklagt die
Krankenhausgesellschaft einen Investitionsstau, da die Bundesländer
seit Jahren kein Geld in die Kliniken stecken (obwohl es ihre Aufgabe
wäre). Die Kostenerstattung durch die Krankenkassen, die sog.
Fallpauschalen, deckt nämlich nur die laufenden Kosten wie
Personal, Material, Wasser und Strom etc. ab.
Ausstattung, Ausstattungserneuerung,
Umbau, etc. muss anderweitig – oder eben nicht finanziert werden.
Es entsteht also ein Wettbewerb unter
den Kliniken, wer mit dem wenigsten Geld das meiste bieten kann. De
facto wird dies häufig zu Lasten des Personals ausgetragen, denn der
größte Posten sind die Personalkosten.
In der Geburtshilfe ist das noch
spezieller und noch krasser. Geburtshilfe ist ein sehr
personalintensiver Zweig der Frauenheilkunde. Außerdem muss
Geburtshilfe auch im Krankenhaus zu horrenden Beiträgen versichert
werden, da sie eigentlich nicht versicherbar ist – schon gar nicht,
wenn man auch 30 Jahre nach einer Geburt noch Schadensersatz
oder Regress (durch die Krankenkassen) fordern kann. Das sind
Risiken, die für die Versicherer nicht kalkulierbar sind. Nicht
selten macht die Versicherungssumme für die Geburtshilfe etwa 2/3
der gesamten Versicherungssumme eines Krankenhauses aus. Und auch
hieran sind häufig Bedingungen geknüpft, die sich kaum ein Mediziner je
ausdenken würde, ein Versicherungsfachmann jedoch schon.
Weil Versicherer das „sicher“ finden, haben viele Häuser einen
zentralen „CTG-Überwachungsplatz“. Das hat noch weitere
Vorteile: eine Hebamme kann dann sogar 5 Frauen (5 Backöfen?)
gleichzeitig „überwachen“, und wenn irgendwo die Parameter
„Gefahr“ anzeigen, kann sie sich da hinbegeben. In der
Zwischenzeit kann sie Papierkram erledigen, einen nicht besetzten
Kreißsaal aufräumen und säubern, eine neue Frau in Empfang nehmen
und dann auch mal 6 Frauen alleine überwachen. Sie hat doch die
Geräte! Das spart enorm an Personal.
Nur leider sind Frauen eben keine Backöfen.
Nur leider sind Frauen eben keine Backöfen.
Das hatten Frauen zwar vor rund 50 Jahren
mal eine Zeitlang deutlich gesagt (1968). Aber heute wären sie ganz gerne
wieder Backöfen. Soll alles automatisch gehen, eine Maschine soll
ihnen sagen, wie es dem Kind geht (als ob sie nicht selbst spüren
könnten, ob es noch tritt und sich bewegt), und überhaupt hat man
häufig den Eindruck, sie fühlen sich lediglich als Hülle oder
Backofen für dieses Wunderding namens „Baby“. Sie haben tierisch
Angst davor, die Temperatur zu hoch einzustellen, die falschen
Zutaten reinzutun, oder das Kind gar zu lange da drin zu backen.
Nicht nur sie haben davor Angst, auch die Ärzte. Denn sie können
verklagt werden, wenn eins der o.g. Dinge passiert. Außerdem kann
man heute mittels Ultraschall wunderbar in den Backofen hineinsehen
und kann dann erkennen, ob der Kuchen langsam bräunlich wird oder
schon verbrannt ist, ob der Kuchen in der richtigen Geschwindigkeit
aufgeht, ob die Hefe überentwickelt und der Kuchen riesig wird, oder
ob er gar nicht aufgeht und nur ein flacher Fladen bleibt. Leider
sind die Geräte recht unscharf. Aber egal, die Eltern haben den
Eindruck, sie könnten wie im Fernsehen in ihren Backofen reinsehen. Im Zweifel reißt man die Backofentür mit Gewalt auf und zerrt das
kleine Ding aus dem gefährlichen Gerät da raus.
Sobald eine Mutter sich
als solche wahrnimmt und Verantwortung für ihr Tun und
Lassen übernimmt, wird es gefährlich. Denn dann ist sie kein
berechenbarer, ein- und ausschaltbarer, beherrschbarer Backofen mehr.
Sie ist dann plötzlich ein Mensch, der ein kleines Wesen unter ihrem
Herzen trägt und dieses kleine Menschlein mehr liebt als alles
andere auf der Welt. Sie hat Emotionen, sie fühlt. Sie tritt in
Kontakt zu dem Menschlein, spürt, wie es ihm geht und hält
Zwiegespräch. Es käme ihr nie in den Sinn, das Menschlein gewaltsam
aus seiner sicheren Höhle zu holen, denn sie weiß, dass es sich auf
den Weg machen wird, zur rechten Zeit. Sie sehnt sich danach, mit
diesem Kind den Weg des Geborenwerdens zu gehen, der doch ein ganz
anderer ist als der eines Brotes aus dem Backofen. Ein Weg, an dem
Mutter und Kind (und häufig auch der Vater) beteiligt sind, den sie
aktiv gestalten, den sie antreten, und auf dem sie nicht
zurückblicken.
Leider passen gerade solche Mütter
momentan nicht ins System. Derzeit ist Geburtshilfe nur etwas für
Backöfen, die sich gerne öffnen lassen, jeden an sich herumstellen
lassen, Temperatur messen, Überwachungsmaschinerie,
voyeuristisches Eltern-Fernsehen, Finger im Kanal.
Vor allem muss es einigermaßen
berechenbar bleiben. Es geht nicht, dass die eine Frau in 4h ihr Kind
zur Welt bringt, die andere sich 48h und länger Zeit lässt. Das
geht leider nicht, denn mehr als 24h werden nicht bezahlt.
Fallpauschale zu Ende. Die Geburt wird dann eben gewaltsam beendet.
Spitzfindig: so ein ungeplanter Kaiserschnitt bringt mehr ein, als
eine schöne physiologische, 48h lange Geburt. (Und sogar mehr als
ein geplanter Kaiserschnitt.)
Krankenhäuser werden kaputtgespart. Die Geburtshilfe ist ein sehr kostenintensiver Fachbereich aufgrund der hohen Personalkosten und der hohen Versicherungssummen. Ich behaupte, es gibt kaum eine geburtshilfliche Abteilung in Deutschland, die schwarze Zahlen schreibt, geschweige denn, Gewinn erwirtschaftet. Die Geburtshilfe in Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand, und jeder ist mit jedem verfeindet.
Krankenhäuser werden kaputtgespart. Die Geburtshilfe ist ein sehr kostenintensiver Fachbereich aufgrund der hohen Personalkosten und der hohen Versicherungssummen. Ich behaupte, es gibt kaum eine geburtshilfliche Abteilung in Deutschland, die schwarze Zahlen schreibt, geschweige denn, Gewinn erwirtschaftet. Die Geburtshilfe in Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand, und jeder ist mit jedem verfeindet.
In aller Regel „überleben“ die
großen Perinatalzentren, die über eine gewisse Anzahl an Frühchen die roten Zahlen der Geburtshilfe kompensieren können. Es ist Gott sei Dank
nur ein kleiner Anteil an Frauen und Babys, die diese
Perinatalzentren wirklich benötigen. Die allermeisten Frauen haben
eine unkomplizierte Schwangerschaft, ein gesundes Kind im Bauch und
somit m.M.n. ein Recht auf eine natürliche, interventionsarme,
ungestörte, risikoarme Geburt. Leider wird dies im Prinzip nur noch
den wenigen Frauen gewährt, die nicht in der Klinik gebären,
sondern zu Hause oder im Geburtshaus. Praktischerweise ist die
Ärzteschaft fleißig dabei, diese Geburtsorte als höchst unsicher
und todbringend zu verteufeln (obwohl, von hier aus, 150km westlich, ca. 30% der Kinder zu Hause geboren werden, ohne dass es ständig
Totgeburten gibt.). Denn diese Geburtsorte wiedersprechen dem Duktus
von der Frau als Backofen für das Kind. Geburtsmedizin ist aber
derzeit nur unter den Backofen-Bedingungen rentabel bzw. halbwegs zu
finanzieren.
Dummerweise sehen Hebammen in ihrem
Beruf etwas anderes als die Bedienung eines Backofens. Sie wollen die
Frauen menschlich begleiten, ihnen Zuwendung schenken, und sie
fachlich kompetent in allen Situationen vor, während und nach der Geburt unterstützen. Das
hat zur Folge, dass Hebammen zunehmend unzufrieden sind mit ihren Arbeitsbedingungen. Sie wollten eben nie am Fließband stehen und
auch nicht ständig irgendwelche Knöpfe bedienen oder Schläuche und Kabel
anschließen. Hebammen wissen, dass Frauen ganz ohne
fremde Hilfe gebären können, selbst wenn die Frauen das nicht immer
wissen und häufig gar nicht mehr glauben. Aus Frust oder mit Burn-Out ziehen sich immer
mehr Hebammen aus dem Klinikalltag zurück, arbeiten Teilzeit, um die
Situation in den Häusern einigermaßen zu ertragen, und arbeiten
nebenbei als freie Hebammen in der Nachsorge oder geben Kurse. Oder
machen was ganz anderes.
Schon 2016 mussten Geburtsstationen aufgrund von Personalmangel (!) geschlossen werden. In diesem Jahr, 2019, Stand Mitte Juni, werden voraussichtlich 14 (!!) weitere Geburtsstationen ihre Türen schließen.
Schon 2016 mussten Geburtsstationen aufgrund von Personalmangel (!) geschlossen werden. In diesem Jahr, 2019, Stand Mitte Juni, werden voraussichtlich 14 (!!) weitere Geburtsstationen ihre Türen schließen.
Dies führt dazu, dass die Geburtshilfe
zunehmend kollabiert. Sie wird weitere Einbrüche und Zusammenbrüche
hinnehmen müssen, bis irgendwann die politisch gewünschte Anzahl an
Kliniken erreicht ist. Dann wird wieder etwas mehr Geld fließen,
vielleicht. Vielleicht hat man sich dann aber so an die niedrigen
Ausgaben gewöhnt, dass man alles so belässt (was wahrscheinlicher
ist).
Dann wird es große (wenige)
Perinatalzentren geben (die fast niemand braucht – die aber teuer
sind und irgendwie finanziert werden müssen, z.B. durch
Frühgeburten, denn Langlieger bringen leider auch kein Geld...) mit
Geburtenzahlen von 2000/Jahr und aufwärts. Diese Zentren werden
unter chronischer Unterbesetzung leiden, da die meisten Hebammen die
Arbeitsbedingungen jetzt schon erbarmungswürdig finden, und
abwandern werden. Das sehen wir schon heute.
Die Frauen werden wie Backöfen durch die Geburten geschleust werden. Und es wird Probleme geben. Noch mehr Frauen werden traumatisiert die Gebärfabriken verlassen. Noch mehr Frauen werden einen Kaiserschnitt erleiden, der eigentlich nicht nötig gewesen wäre, wenn die Frau eine 1:1-Betreuung erfahren hätte. Frauen werden noch mehr Überwachung durch Geräte über sich ergehen lassen müssen, da es einfach nicht genug Personal geben wird.
Die Frauen werden wie Backöfen durch die Geburten geschleust werden. Und es wird Probleme geben. Noch mehr Frauen werden traumatisiert die Gebärfabriken verlassen. Noch mehr Frauen werden einen Kaiserschnitt erleiden, der eigentlich nicht nötig gewesen wäre, wenn die Frau eine 1:1-Betreuung erfahren hätte. Frauen werden noch mehr Überwachung durch Geräte über sich ergehen lassen müssen, da es einfach nicht genug Personal geben wird.
Und dann wird der
Bundesgesundheitsminister beschließen, dass der Beruf der Hebamme
doch ganz gut noch in das große Gesamtpaket „Pflegeberufe“
passt. Denn dies „werte den Beruf der Hebamme auf“ und schaffe
neue Möglichkeiten. Man müsse sich nicht festlegen. Wenn das nichts
ist mit der Geburtshife, könnte man dann immer noch auf der
geriatrischen Station arbeiten. Sehr praktisch.
(In dieser Hinsicht habe ich mich tatsächlich getäuscht, als ich diesen Text schrieb: Hebammen sollen bald nur noch an Fachhochschulen in dualen Studiengängen ausgebildet werden. Immerhin etwas!)
(In dieser Hinsicht habe ich mich tatsächlich getäuscht, als ich diesen Text schrieb: Hebammen sollen bald nur noch an Fachhochschulen in dualen Studiengängen ausgebildet werden. Immerhin etwas!)
Und dann werden wir ungefähr da sein,
wo Amerika sich seit einigen Jahrzehten befindet. Dort gibt es die
„midwife nurse“, die genau das ist: eine „weitergebildete“
Krankenschwester. Und es gibt die Ärzte, die die Kunst der
Backofen-Geburt perfektioniert haben. Leider mit
tragischem Outcome:
Die Säuglingssterblichkeit ist doppelt
so hoch wie hierzulande. Die Müttersterblichkeit ist unbestritten
die höchste in allen westlichen Ländern, nämlich etwa dreimal so
hoch wie hier. Beides ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich angestiegen.
(Könnte sein, dass es bei uns nun doch nicht ganz so schlimm kommt.)
Beim Anteil an Frühchen sind wir schon fast so "gut" wie die Amerikaner:
USA: 12,0% (auf der Länderliste zwischen Timor-Leste, 12,1%, und Thailand, 12,0%)
D: 9,2% (auf der Länderliste zwischen Nicaraguay 9,3% und Brasilien 9,2%)
(Könnte sein, dass es bei uns nun doch nicht ganz so schlimm kommt.)
Beim Anteil an Frühchen sind wir schon fast so "gut" wie die Amerikaner:
USA: 12,0% (auf der Länderliste zwischen Timor-Leste, 12,1%, und Thailand, 12,0%)
D: 9,2% (auf der Länderliste zwischen Nicaraguay 9,3% und Brasilien 9,2%)
Ich plädiere sehr für einen
Kurswechsel. Die Politik muss erkennen, dass mindestens in der
Geburtshilfe, wahrscheinlich aber auch in anderen Bereichen der
Medizin, ein rein wirtschaftliches Vorgehen, verbunden mit einem
liberalisierten Gesundheits-Markt, zwar gut für die Zahlen ist.
Aber schlecht für die Menschen.
Aber schlecht für die Menschen.
Hoffentlich schaffen wir das, denn das
sind wir den Müttern und Kindern schuldig.
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