Sonntag, 15. Oktober 2017

Stillen - lohnt sich das?

Meine Kinder sind längst alle abgestillt. Ich muss mich in diesem Punkt gegenüber niemandem mehr verteidigen oder rechtfertigen. Umso mehr erstaunt mich, dass es Frauen gibt, die sich rechtfertigen müssen - zum Beispiel, wenn sie in der Öffentlichkeit stillen. Oder wenn sie länger als "sonundsoviel" Monate stillen.
Andererseits finde ich es auch nicht gut, wenn Frauen, die Fläschchen geben, kritisiert werden. Auch sie haben gute Gründe, warum sie es so tun.

Die positiven Effekte des Stillens sind sehr vielfältig. Egal, ob frau kurz oder lange stillt, 1 Monat oder 12 Monate, die positiven Effekte bestehen während der ganzen Stilldauer, egal, wie kurz oder lange. Auch dann, wenn teilweise Fläschchen gegeben wird, nur wenige Monate oder mehrere Jahre gestillt wird.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt ausschließliches Stillen in den ersten 6 Monaten und weiterhin begleitendes Stillen bis Ende des 1. Lebensjahres und darüber hinaus, solange Mutter und Kind es möchten.

Vorteile.

Immunsystem

Die Muttermilch enthält mütterliche Antikörper gegen alle möglichen Keime, die der Mutter im Laufe ihres Lebens begegnet sind.
Das Immunsystem des Babys ist noch nicht ausgereift, wenn es zur Welt kommt. Es entwickelt sich nach und nach. Wenn das Kind mobiler wird, also in der 2. Hälfte des ersten LJ., kommt es mit immer mehr Keimen in Kontakt und kann so ein gutes Immunsystem ausbilden. Wir wissen, dass Babys alles in den Mund stecken, um es zu erkunden. In dieser Zeit ist der zusätzliche Schutz durch die Muttermilch sehr wertvoll.
Wenn gerade ein Magen-Darm-Virus die Runde macht, bildet die Mutter Antikörper dagegen. Das Baby nimmt die Antikörper auf und erhält so einen zusätzlichen Schutz seiner Schleimhäute.
Gestillte Kinder erkranken seltener an Magen-Darm-Grippe und stecken es meist besser weg. Die Gefahr der Austrocknung ist geringer, da die Muttermilch sehr leicht verdaulich ist und auch bei angegriffener Magenschleimhaut noch gut vertragen wird.
Sehr kleine Babys erkranken selten an Magen-Darm-Grippe. Kleinkinder zwischen eins und zwei, die evtl. zusätzlich die Kita besuchen, schon öfter. Und da ist das Stillen dann eine wunderbare Hilfe: das Kind nimmt weiterhin Flüssigkeit zu sich. Es wird schneller gesund. Es erfährt Nähe und Geborgenheit gerade dann, wenn es sich echt mies fühlt.

Warum sollte ich freiwillig auf diese Schutzmechanismen verzichten und nach ein paar Monaten abstillen? Gerade dann, wenn es für das Baby langsam wichtig wird. Aus den gleichen Gründen würde ich ein Kind nicht abstillen, wenn es in die Kita kommt. Da geht der Keimaustausch erst richtig los! Für mich war in Krankheitszeiten die stabile Flüssigkeitsquelle Gold wert.
Gesellschaftlich betrachtet würde es auch weniger Krankenhausaufenthalte von Kleinkindern geben. Neben Magen-Darm-Viren gibt es noch andere "nette" Vertreter wie z.B. Herpangina, Hand-Mund-Fuß-Erkrankung, Grippeviren, Drei-Tage-Fieber etc.etc....

Ich möchte dennoch betonen, dass jede Mutter selbst entscheidet, wie lange sie stillt und wie lange das gut für sie und ihr Kind ist.

Hier der Erfahrungsbericht einer Mutter  (englischsprachig).


Schutz vor chronischen Erkrankungen

Dieser Schutz wird noch breit diskutiert.
Fest steht, dass gestillte Kinder  im späteren Leben seltener übergewichtig sind oder Bluthochdruck, Diabetes oder Asthma haben.
Dies hat sowohl für jeden einzelnen Auswirkungen als auch für die Gesellschaft. Ein Kind, das an Asthma erkrankt, muss regelmäßig zum Arzt oder Medikamente einnehmen. Das kann eine Herausforderung für die Familie sein. Bluthochdruck oder Diabetes tritt meist erst im Erwachsenenalter auf. Beide Erkrankungen gehören zu den "Zivilisationskrankheiten" und können weitere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Das bedeutet, dass das Stillen auch für das Kind lange über die Stillzeit hinaus Bedeutung hat.
Für die Gesellschaft hieße es auch, wenn mehr Kinder länger gestillt werden, würden wir sehr, sehr viel Geld im Gesundheitswesen sparen. Deswegen finde ich es so wichtig, dass Frauen, die stillen, von der Allgemeinbevölkerung wohlwollend und unterstützend betrachtet werden.
Aber auch Frauen, die Fläschchen geben, sollten Respekt und Anerkennung erhalten, sie kümmern sich ebenfalls liebevoll um ihre Kinder.


Ich möchte hier meine eigene Beobachtung einfließen lassen. In unseren Familien gibt es eine Neigung zu Asthma und Neurodermitis. Manche Verwandte waren als Kinder massiv betroffen.  Das war einer der Gründe, warum ich meine Kinder sehr lange gestillt habe.

Mein Sohn wurde bis ins 3. LJ gestillt. Bis dahin hatte er keine Probleme mit der Haut. Im zweiten Winter nach dem Abstillen kam dann ein Leck-Ekzem und ganz leichte, minimale trockene Hautstellen zwischen den Fingern, die prima auf Hautpflege ansprachen. Nach einem weiteren Jahr war der Spuk vorbei.
Meine Tochter wurde gestillt, bis sie 26 Monate alt war. Mit fünf hatte sie eine sehr schlimme obstruktive Bronchitis, weswegen sie im Krankenhaus war. Sie hat nun eine milde Form von Asthma und braucht manchmal Medikamente.
Es könnte sein, dass eine lange Stilldauer den Beginn einer chronischen Erkrankung nach hinten verschiebt. In ein Zeitfenster, in dem das Immunsystem noch ausgereifter ist, und die Erkankung milder verläuft. Vielleicht war das nur bei uns so. Im Krankenhaus fiel mir auf, wie viele deutlich jüngere Kinder da bereits mit Atemwegserkrankungen zu tun hatten. Aber dies sind nur Beobachtungen und nicht wissenschaftlich fundiert.


Für die Mutter.

Stillen senkt das Brustkrebsrisiko der Mutter. Und es sinkt mit jedem weiteren Monat Stilldauer. Es sinkt auch nach 12 Monaten noch.
Es kommt dennoch selten vor, dass stillende Mütter an Brustkrebs erkranken. Und es heißt auch nicht automatisch: "Du hast wohl nicht (lange genug) gestillt?!", denn es gibt verschiedene Ursachen für die Entstehung eines Tumors.
Aktualisierung: Nach neuesten Erkenntnissen senkt das Stillen (genauso wie mehrere Schwangerschaften) das Brustkrebs-Risiko sogar bei Hochrisiko-Frauen
mit genetischer Vorbelastung (BRCA1 und BRCA2), siehe hier.

Stillen senkt auch das Risiko für Eierstock- und Gebärmutterkrebs.


Stillen senkt auch die Gefahr, im Alter an Osteoporose (Knochenschwund) zu erkranken. Denn nach dem Abstillen wird in die Knochen wieder mehr Kalzium eingelagert. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen, die gestillt haben, sogar ein niedrigeres Osteoporose-Risiko nach den Wechseljahren haben, als Frauen, die nicht gestillt haben. (Aber die Studienlage ist hier nicht ganz eindeutig.)


Praktisches.

Meine Kinder sind langzeitgestillt worden. Ich habe bei allen dreien nach spätestens 1 Jahr wieder angefangen zu studieren oder zu arbeiten. Alle drei waren ab ca. 1 Jahr in Betreuung bei der TaMu oder in der KiTa. Auch das ist keine Schwierigkeit. Ich fands sogar sehr schön, dass sie beim Abholen erst mal Muttermilch trinken wollten. Sie haben so Nähe und Geborgenheit nachgeholt. Manchmal wurde ich dafür komisch angeschaut. Eine Tagesmutter hat mal ihren Unmut geäußert, aber ich habe gesagt, dass das Kind ganz gut zwischen ihr und mir unterscheiden kann. Und so war es auch, natürlich hat das Kind dort ganz normal mitgegessen und Tee oder Wasser getrunken.

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass meine Kinder mit einem guten Rückhalt und selbstbewusst losgezogen sind, so als wäre ich die Insel, zu der sie gern zurückkehren, wenns mal draußen stürmisch war. Sie waren genauso schnell selbständig wie andere Kinder, und sind es heute noch.
Ich habe einen Mann, der das lange Stillen total unterstützt hat, dadurch war es für mich auch einfacher, weiter zu stillen.Und dafür bin ich ihm sehr dankbar!
 

Stillheldinnen

Eine gute Bekannte von mir hat 8 Wochen nach der Geburt wieder angefangen zu arbeiten - und stillt 8 Monate danach immer noch. Auch das geht! Es gibt Milchpumpen, super unterstützende Ehemänner und verständnisvolle Arbeitgeber.
Eine andere persönliche Heldin hat 9 (!) Monate lang abgepumpt, jede einzelne Mahlzeit, weil Stillen an der Brust nicht klappte. Sie hat die Muttermilch dann mit der Flasche gefüttert. Diese liebe Frau hatte wirklich Ausdauer und Disziplin! Sie war überzeugt, dass es das Beste für ihr Kind ist.

Ich finde, wir sollten diese "Heldinnen-Geschichten" teilen. Wir dürfen da auch mal stolz drauf sein, diese Schwierigkeiten gemeistert zu haben, Lösungen gefunden zu haben. Ich möchte Mut machen: Stillen ist möglich, es gibt Lösungen, es ist auch mit Berufstätigkeit vereinbar. Es ist das Beste für die Kinder, und alle profitieren davon, Mütter und Kinder. Es lohnt sich!


Stillen hat auch Nachteile.

Bei uns war es tatsächlich so, dass ich ein Kind sehr lange selbst ins Bett bringen musste (die anderen beiden waren da weniger fixiert auf mich), auch wegen des Stillens.
Das kann schon aufreiben, v.a. wenn man doch mal wieder abends weggehen möchte.
Ich hatte auch Phasen, in denen ich das Stillen als sehr anstrengend empfand. Deswegen habe ich meiner Großen nach 1,5J. den "Nachmittags-Trunk" abgewöhnt, weil ich danach oft sehr k.o. war.
Man kann das Stillen auch den eigenen Bedürfnissen anpassen bzw. Kompromisse finden.

Ich war etwas neidisch auf meine Freundin, die abgepumpt hat: da konnte auch der Mann mal füttern. Das hat bei uns leider nicht geklappt, meine Kinder haben die Flasche abgelehnt. Wahrscheinlich habe ich das zu spät probiert. Aus meiner Erfahrung denke ich, man sollte vor dem 3. Lebensmonat regelmäßig abpumpen, damit der Vater auch mal ran kann und frau wieder mehr Freiheit hat. 

Fazit:


Ich habe die Stillzeit geliebt, es hat mir auch eine innere Stärke verliehen (es ist einfach genial, mein Kind selbst zu versorgen!), ich habe es selten als einengend empfunden. Im Gegenteil: ich fand es sehr befreiend, nichts mitnehmen zu müssen und trotzdem genug dabei zu haben. In Krankheits- und Krisenzeiten war es einfach klasse. Ich hatte Glück, beim ersten Kind eine tolle Hebamme gehabt zu haben, die mich angeleitet hat.

Stillen macht glücklich!














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